Ittinger Wassermeditationen 2018
Wasser als Lebenselement kommt in den verschiedensten Formen vor: als sprudelnde Quelle, als klarer Bergbach, ein stiller Weiher am Morgen, ein ruhig fliessender oder reissender Fluss, ein gefrorener See, ein Wasserfall, in Form von Schweisstropfen, eingezwängt hinter einem Staudamm, als Schnee, Regen, Hagel fällt es vom Himmel, als Dampf, Nebel und Wolken veflüchtigt es sich, oder der Mangel an Wasser führt zu Trockenheit und Dürre .... All diese Zustände können unser inneres Befinden spiegeln, können zu Bildern unserer Seele werden und unsere Sehnsucht nach Lebendigkeit zum Ausdruck bringen.
Dieser Sehnsucht haben wir 2018 nachgespürt in den öffentlichen, geführten Meditationen, die von Thomas Bachofner, Leiter tecum geleitet wurden.
Auf dieser Seite können Sie mitmeditieren - oder kommen Sie selber einmal am zweiten Mittwoch im Monat in die Kartause und nehmen Sie persönlich teil. Sie sind jederzeit herzlich willkommen (Beginn um 17.30 Uhr und 18.30 Uhr, Besammlung vor dem Eingang zur Klosterkirche).
Januar: Schnee / Regen
Wenn Regen oder Schnee vom Himmel fällt, kehrt er nicht wieder dorthin zurück,
ohne dass er etwas bewirkt:
Er durchfeuchtet die Erde und macht sie fruchtbar,
sodass sie Korn für das tägliche Brot hervorbringt
und Saatgut für eine neue Ernte.
Genauso ist es mit dem Wort, das ich spreche:
Es kehrt nicht unverrichteter Dinge zu mir zurück,
sondern bewirkt, was ich will,
und führt aus, was ich ihm auftrage.«
(Jesaja 55, 10 und 11)
Gott, danke für dein gutes Wort.
Ein Wort der Liebe, der Annahme, der Vergebung.
Wie Regen fällt es auf meine durstige Seele und macht meinen Boden fruchtbar.
Wie Schnee fällt es auf meinen überhitzten Kopf und kühlt ihn. Das macht mich ruhig und klärt meine Gedanken.
Mache mich zu einem feuchten Boden, der deine guten Gaben in meinem Leben wachsen lässt.
Gaben der Liebe und Offenheit.
Gaben der Weisheit und des Augenmasses.
Die Fülle des Lebens.
Nahrung für Leib, Seele und Geist.
März: Quelle
Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde,
der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben,
nein, das Wasser, das ich ihm geben werde,
wird in ihm zu einer Quelle werden,
deren Wasser ins ewige Leben sprudelt.
(Johannes 4,14)
Trockenes Land, Hitze, Durst.
In mir die Sehnsucht nach einem Becher Wasser, nach einer sprudelnden Quelle, aus der ich schöpfen kann.
Jede Faser meines Körpers lechzt nach frischem Wasser.
In mir spüre ich noch einen anderer Durst, eine innere Trockenheit, eine Leere, einen Durst der Seele nach Lebendigkeit, Leichtigkeit, Frische.
Eine Sehnsucht nach einer tiefen Verbindung mit allem, was lebt, mit mir, mit den Menschen in meiner Nähe, mit Gott.
Stille du meinen Lebensdurst.
Berühre mich mit deinem Geist.
Lass die Quelle in mir fliessen.
Mai: Bach
Wie glücklich sind sie, die bei dir ihre Stärke finden und denen es am Herzen liegt, zu deinem Heiligtum zu ziehen!
Wenn sie durchs Wüstental wandern, brechen dort Quellen auf, milder Regen macht alles grün und frisch. Mit jedem Schritt wächst ihre Kraft, bis sie auf dem Zionsberg vor dir stehen. (Psalm 84, 6 – 8)
Ich bin unterwegs.
Mich zieht es in Gottes Gegenwart
Ich suche seine Nähe
Eine tiefe Sehnsucht lässt mich aufbrechen
Auf dem Weg gibt es staubige und trockene Abschnitte.
Fragen bedrängen mich: Was soll das bringen?
Lohnt es sich?
Werde ich je ankommen?
Da spüre ich einen Regentropfen auf der Haut.
Milder Regen tränkt die Wüste, Quellen brechen auf, Bäche sprudeln.
Ich atme auf und bin innerlich und äusserlich erfrischt.
Erstaunt stelle ich fest: obwohl der Weg ansteigt, werde ich nicht müde.
Im Gegenteil, die Schritte werden leichter beim Gehen.
Meine Kraft nimmt zu.
In mir wächst Freude und Leichtigkeit.
Es ist, als könnte ich fliegen, ihm entgegen.
Juni: Reissender Fluss
Ich weiß nicht mehr aus noch ein!
Darum gehen meine Gedanken zu ihm
– aus der Ferne, vom Land an den Jordanquellen,
vom Hermongebirge mit seinen Gipfeln.
Rings um mich tost es und braust es:
Flut auf Flut, von ihm geschickt,
Welle auf Welle rollt über mich hin.
(Psalm 42, 7 und 8)
Von den Bergen stürzen Wildbäche tosend in die Tiefe.
Mir ist zumute, als würden die Fluten mich mitreißen und fortspülen.
Mir wird alles zuviel.
Das Wasser steht mir bis zum Hals.
Die Berge an Unerledigtem türmen sich vor mir auf und decken mich zu.
Ungeklärte Beziehungen nagen an mir, fressen Energie.
Wo komme ich noch vor?
Ich fühle mich abgetrennt, entfremdet,
von mir, von anderen, von Gott.
Ich schaue aus der Ferne zurück auf ein blühendes Leben,
das mir zwischen den Händen zerronnen ist.
Wo finde ich Halt in den reissenden Fluten?
Wo finde ich wieder festen Boden unter den Füssen?
Wann kann ich wieder über trockenes Land gehen?
Ob ich es spüre oder nicht: ich weiss, dass du mich hältst.
Du, Fels meines Lebens, Anker meiner Seele.
Meine Kraft nimmt zu.
In mir wächst Freude und Leichtigkeit.
Es ist, als könnte ich fliegen, ihm entgegen.
Juli: Volle Bäche
Du sorgst für das ganze Land,
machst es reich und fruchtbar.
Du füllst die Bäche und Flüsse mit Wasser,
damit Getreide in Hülle und Fülle wächst.
Du befeuchtest das gepflügte Land
und tränkst es mit strömendem Regen.
Das ausgedörrte Erdreich weichst du auf,
und alle Pflanzen lässt du gedeihen.
(Psalm 65, 10 und 11)
Ich bin wie ein ausgetrocknetes Ackerfeld.
Tief in mir spüre ich eine Sehnsucht, ein Durst nach Leben,
nach Fülle, nach Leichtigkeit und Frische,
nach Nähe und Gemeinschaft,
nach sinnvollem Tun.
Du füllst die Bäche und Flüsse mit Wasser.
Lebensadern überziehen die Erde und lassen das Korn wachsen.
Komm und schenke mir deinen Geist und deine Kraft.
Weiche mein ausgedörrtes Erdreich auf.
Mache meine Seele zu einem fruchtbaren, bewässerten Boden,
auf dem die Früchte der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit wachsen.
Fülle mein Gefäss bis zum Rand und darüber hinaus,
damit ich nicht die Reste meiner seelischen Kräfte zusammenkratzen muss,
sondern aus deinen unermesslichen Quellen schöpfen kann.
August - Schweiss
Dornen und Disteln wird der Erdboden dir tragen,
und das Kraut des Feldes wirst du essen.
Im Schweiss deines Angesichts wirst du dein Brot essen,
bis du zum Erdboden zurückkehrst, denn von ihm bist du genommen.
Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück.
(1. Mose 3, 18 und 19)
Die Hitze umfängt mich wie in einem Glutofen. Kein Schatten. Kein Entrinnen
Der Schweiss rinnt an mir herunter.
Die Zunge klebt am Gaumen.
Trocken wie eine Scherbe ist meine Kehle.
Im Schweisse deines Angesichts wirst du dein Brot essen.
Dornen und Disteln beseitigen, dem Boden mühsam etwas abringen.
Ohne Fleiss kein Preis.
Ohne Arbeit, Mühsal, Anstrengung bleibt der Teller leer.
Die Erde kann nichts dafür, dass der Mensch schuldig geworden ist.
Sie trägt und nährt mich weiterhin.
Meine Arbeit ist Teil der göttlichen Schaffenskraft.
Mit jedem Schweisstropfen habe ich Anteil an der immerwährenden Schöpfung.
Mit meinem Tun lobe ich die endlose, sich ewig verschenkende Kreativität Gottes.
September: Tränen
Du weißt, wie oft ich umherirren musste.
Sammle meine Tränen in deinen Krug;
ich bin sicher, du zählst sie alle!
(Psalm 56, 9)
Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.
Weinend geht hin, der den Saatbeutel trägt,
doch mit Jubel kommt heim, der seine Garben trägt.
(Psalm 126, 5-6)
Es gibt Zeiten, wo die Lebensspur verloren geht, wo ich umherirre.
Zeiten, wo ich Abschied nehmen muss von Menschen, von Orten, von Träumen.
Zeiten, wo ich nicht sicher bin, wie es weitergehen wird.
Du siehst meine inneren und äusseren Tränen, jede einzelne sammelst du.
Bei dir ist alles aufgehoben.
Auch das Schwere.
Lass es abfliessen zu dir hin.
Auch ich bin aufgehoben in dir.
Alles, was mich betrifft, trägst du mit.
Aus Tränen lässt du Jubel und Freude wachsen.
Tränen netzen den Boden und lassen die Saat aufgehen.
Schweres verwandelt sich.
Auf steinigem Boden wächst Brot.
Oktober: Bittere Quelle
Die Israeliten konnten das Wasser von Mara nicht trinken,
denn es war bitter.
Da schrie Mose zum Herrn und der Herr zeigte ihm ein Holz.
Und das warf er ins Wasser, und das Wasser wurde süss.
(2. Mose 15, 23-25)
Quälender Durst.
Endlich Wasser.
Doch - das Wasser ist bitter.
Es ist ungeniessbar.
Statt den Durst zu stillen macht es nur noch durstiger.
Wie ein Schiffbrüchiger auf dem Meer.
Die bitteren Quellen in mir.
Toxische Gedanken, die mich selber herunterziehen.
Enttäuschungen, über die ich nicht hinwegkomme.
Bitterkeit, die sich am Boden meiner Seele sammelt und mir die Lebensfreude raubt.
Mit dem Holz des Kreuzes berühre mich in der Tiefe meiner Seele.
Verwandle das bittere Wasser in frisches Wasser.
Mische mich innerlich auf und nimmt die Salzkrusten weg von meiner Seele.
Lass dein frisches Lebenswasser in mir hervorsprudeln.
November: Nebel
Unser Name wird mit der Zeit vergessen,
und niemand wird sich unseres Tuns erinnern.
Unser Leben fährt dahin,
als wäre nur eine Wolke da gewesen,
und zergeht wie Nebel, der von den Strahlen der Sonne verjagt
und von ihrer Hitze verzehrt wird.
(Weisheit 2,4)
Unser Leben – ein flüchtiger Moment.
Wenn wir einmal gegangen sind von dieser Erde verblasst die Erinnerung an uns.
Wir leben weiter in der Liebe von denen, mit denen wir verbunden sind.
Aber auch sie werden irgendwann einmal nicht mehr da sein.
Und niemand kennt mehr unseren Namen.
Unser Leben – wie eine Wolke, die der Wind vorüberweht.
Wie Nebel, der sich im Licht der Morgensonne auflöst.
Die Wärme und das Licht verwandeln mich.
Mein nebliges Dasein wird unsichtbar.
Ich werde transparent.
Aber nichts geht verloren.
Das Licht nimmt mich auf.
Alles in mir wird hell.
Und da ist einer, in dessen Erinnerung ich lebe.
Einer, der meinen Namen ins Buch des Lebens hineinschreibt.
Einer, der mich nie vergisst.
Dezember: Schnee
Du freust dich, wenn ein Mensch von Herzen aufrichtig ist;
verhilf mir dazu und lass mich weise handeln!
Reinige mich von meiner Schuld, dann bin ich wirklich rein;
wasche meine Sünde ab, dann bin ich weißer als Schnee!
(Psalm 51, 8 – 9)
Ein verschneiter Berghang.
Ganz unberührt liegt er da vor mir in der strahlenden Morgensonne.
Glitzernde Schneekristalle leuchten auf
Alles ist ganz neu.
Innerlich neu werden, immer wieder neu anfangen, Altes zudecken und zurücklassen.
In dir ist das möglich.
Den Schmutz von der Seele abwaschen.
Meine Verfehlungen benennen und dir abgeben.
Den Zuspruch des Lebens neu empfangen.
Du nimmst mir eine Last von meinen Schultern.
Ich atme auf.
Unter der Schneedecke geschieht Verwandlung.
Einen Mantel des Schweigens ausbreiten.
Nicht verdrängen und vergessen.
Aber ruhen lassen.
Da ist ein Raum der Gnade,
ein Wohlwollen, das um alles weiss und trotzdem nicht beschämt.
Eine Zeit der Wiederherstellung.
Und wenn der Schnee geschmolzen ist, kann wieder Neues wachsen.